AYNSLEY LISTER

Man muss sich nur zu helfen wissen!

Anlässlich seines Konzerts im Wiener Reigen stand der britische Blues-Gitarrist Ansley Lister für Interviews zur Verfügung und so fand ich mich nachmittags in der ziemlich feudalen Künstler-Beherbergung am Hietzinger Kai mit Blick auf den Schönbrunner Schlosspark ein.

Du bist ja quasi Stammgast beim “Vienna Blues Spring” beziehungsweise aktuell beim “Vienna Jazz Floor” – hattest du schon mal Zeit für ein wenig Sightseeing? “Um ehrlich zu sein, leider nein. Wir kommen in der Regel am Tag der Show an und reisen am nächsten Morgen weiter, aber diesmal haben wir einen day off und wir werden nach Schönbrunn rüberschauen. Danke für den Tipp!”

Dein letzter geplanter Gig in Wien 2020 musste ja Pandemie-bedingt abgesagt werden. Wie ging’s dir in den letzten beiden Jahren? “Die Pandemie hat uns massiv getroffen. Musik ist mein Leben und ich bin in der glücklichen Situation davon leben zu können. Es war dann verdammt hart realisieren zu müssen, dass ich das nun nicht mehr haben konnte, keine Konzerte mehr spielen durfte. Die Vibes, die bei Konzerten rüberkommen sind etwas ganz besonderes und als das plötzlich weg war fühlte ich mich wie ein Alkoholiker, dem man den Schnaps weggesperrt hat. Die ersten ein, zwei Monate waren ja ganz ok, mein Frau und ich genossen die Zeit mit unserem kleinen Sohn und das schöne Wetter in England, aber dann wollte ich wieder raus und auf der Bühne stehen … Das macht dir mental ganz schön zu schaffen und überdies war mit der Zeit auch die finanzielle Situation belastend. Meine Frau managt unser Label und da kam natürlich auch kaum Geld rein. ”

Wie kamt ihr da über die Runden? “Die erste Zeit lebten wir von unseren Ersparnissen aber dann war klar dass ich ein Plan brauchte um überleben zu können. Ich gab Gitarrenstunden, die bot ich dann über Zoom an und dank meiner großen Online-Community war ich da nach kürzester Zeit so gut wie ausgebucht. Das hat uns quasi den Arsch gerettet.”

Hast du auch die Zeit genutzt um Songs für dein neues Album “Along For The Ride” zu schreiben? “Ich hatte das Album im Grund genommen vor der Pandemie schon fertig und wir wollten kurz darauf ins Studio gehen … Ich habe dann während des ersten Lockdowns drei weitere Songs geschrieben die ich eigentlich nicht auf’s Album tun wollte da sie eigentlich sehr verbittert und traurig waren, aber dann dachte ich “warum nicht”? This is where we are now. Und der Rest des Albums ist ja durchaus positiv, somit war eine gute Balance gegeben.”

Du bist ja wieder nun wieder auf Tour. Man hört ja dauernd dass viele Bands Konzerte absagen da der Kartenvorverkauf wenig bis gar nicht läuft, wie ist das bei euch? “Bizarrerweise ziemlich gut. Die Leute kommen gerne zu unseren Shows. Es könnte natürlich etwas besser sein, aber ich will mich beileibe nicht beklagen.”

Du bist durch deinen Vater quasi mit dem Blues aufgewachsen? “Ja, er spielte laufend diese Blues-Platten zuhause. Und wirklich gut waren sie, wenn sie viele Gitarre-Soli hatten. Das wollte ich dann irgendwann auch drauf haben (lacht). Die eine Platte, die ich anfangs unentwegt hörte war Jimi Hendrix – Live At Monterey. Jimi faszinierte mich.” Das war vermutlich auch der Grund warum du auf deinem ersten Album “Messin’ With The Kid” neben Songs von Rory Gallagher, Stevie Ray Vaughan, Robert Johnson und Peter Green auch Jimi’s “Voodoo Chile” drauf hattest … “Genau! Das waren meine Heroes zu dieser Zeit.”

Du hattest schnell deinen eigenen Stil gefunden und eine Reihe großartiger Alben auf Ruf Records veröffentlicht. 2008 seid ihr dann getrennter Wege gegangen … “Das war wie bei macher Beziehung, man lebt sich irgendwann auseinander. Da war kein böses Blut, ich bin mit Thomas (Ruf) nach wie vor gut befreundet.”

Seit 2013 hast du nun dein eigenes Label? “Nachdem ich mit dem vorigen Label Manhaton nicht wirklich glücklich war meinte meine Frau, dass wir dies in Eigenregie machen sollten. Ich war anfangs skeptisch aber der Erfolg gab und gibt ihr recht.”

Lass uns nun über “Along For the Ride” plaudern. Ein sehr beeindruckendes Werk, das im Vergleich zum Vorgänger “Eyes Wide Open” sehr kontemplativ und persönlich rüberkommt. “Yeah, da ist sehr viel Bezug zu aktuellen Themen, auch zum aktuellen Weltgeschehen. Mir wurde selbst bewusst dass ich nicht mehr über Platitüden und die üblichen Blues-Topics schreiben wollte, sondern über das Leben. Mein Leben und unser aller Leben. Mit zunehmendem Alter beginne ich immer mehr zu reflektieren.”

Es fällt mir schwer Favoriten aus den Songs zu benennen, da sie durch die Bank grandios sind, aber der Opener “Amazing”, “Bide My Time”, “Is It really Happening Now”, “World Is Falling”, “No One Else But You” und “Eve Pt II” gaben mich besonders berührt. “Bei “Amazing” geht’s um den Social Media-Overkill dem wir ausgesetzt sind. Wäre ich kein Künstler und müsste diese Kanäle zu Promotion-Zwecken nützen dann würde ich davon Abstand nehmen, zu einem großen Teil zumindest. “Bide My Time” rät den wichtigen Dingen des Lebens ihren Raum zu geben, mit den Menschen, die dich umgeben eine Beziehung zu pflegen und Dinge nicht auf die lange Bank zu schieben. “Is It Really Happening Now” war der erste Song den ich im Lockdown geschrieben hatte. Es schien alles so surreal. Da heisst es “tanks on the street” da ich in den News Panzer auf der Autobahn gesehen hatte … Sehr verstörend. Auch “The World Is Falling” gibt meine Eindrücke, meine Gefühle von damals wieder. Da möchte ich eigentlich gar nicht mehr näher drauf eingehen. “Invincible” handelt von Menschen in unserer Umgebung die sich für unzerstörbar halten, die immer so tough sein wollen. Aber gerade in Zeiten wie diesen muss man erkennen dass man durchaus Schwächen zeigen und gegebenenfalls um Hilfe bitte kann. Auf “Made Up My Mind” lass ich meine Verehrung für Jimi Hendrix vom Stapel, dass die Lyrics von einer toxischen Beziehung handeln ist da eher zweitrangig. “No One Else But You” ist eine Liebeserklärung an meine Frau, die ich in einen originären Blues verpackt und den ich wie bei alten Aufnahmen von FLEETWOOD MAC oder Ray Charles mit wenigen Mikros live im Studio eingespielt hatte. “Eve Pt II: Love You To Death”, genauso wie “Eve Pt. I”, basiert auf eine britischen Suspence-Fernsehserie, die mir extreme gefiel. Ich sandte sie meinem Produzenten und rechnete nicht wirklich damit, dass er sie nehmen würde. Er meinte aber: Super, die müssen auf’s Album.“

Ein sehr vielschichtiges Album, das sich mit rockiger Schräglage und gewissem, überaus gelungenem Pop-Appeal über bisher gewohnte Blues-Schemata hinwegsetzt. Verdient volle Punkte. Chapeau, Aynsley!

www.aynsleylister.co.uk