BOB DYLAN Rough And Rowdy Ways

Sony Music

Dylan inmitten a-Changin‘ Times…

„What can I tell ya? I sleep with life and death in the same bed…“ Willkommen zurück Eigenkompositionen! Jeder Fan wäre wohl einverstanden, wenn Bob Dylan nie mehr einen einzigen Cover-Song veröffentlicht. Drei Cover-Alben hintereinander im Ein-Jahr-Intervall und das letzte davon, „Triplicate“ mit insgesamt 30 Nummern? Ca suffit mon ami! Nicht, dass die Originale auf dem brandneuen „Rough And Rowdy Ways“ so viel zeitgemäßer oder moderner klingen als die Traditionals auf den Vorgänger-Alben… Aber das Material mit Dylan-Handschrift hat einfach einen ganz anderen Stellenwert. Man geht auch nicht in ein Michelin-ausgezeichnetes Restaurant, um Aufgewärmtes mit Tellerdekoration zu bestellen. Man kommt wegen der frisch zubereiteten Eigenkreationen.

In gewisser Weise erinnert Dylan’s 39. Studioalbum an das düstere und eindringliche „Time Out Of Mind“, die fantastische Comeback-LP, die ebenfalls nach eine Cover-Album-Phase veröffentlicht wurde. Das erste neue Material seit dem 2012 erschienenen „Tempest“ kommt acht Jahre später, inmitten einer Pandemie und weltweiter Protestbewegungen. Zehn Nummern bedienen sich der typischen Dylan-Stilrichtungen: Blues, Country, Gospel, Rockabilly und Folk. Der Tonträger beginnt dramatisch berührend, mit dem sehnsüchtigen Opener „I Contain Multitudes“. So süß hörte man Dylan schon lange nicht mehr. Gefolgt wird Track Nr. 1 von Blues House Rockern („False Prophet“, „Goodbye Jimmy Reed“ oder „Crossing The Rubicon“), wundervoll-arrangiertem Old School-Schmalz („I’ve Made Up My Mind To Give Myself To You“ oder „Black Rider“) und dem keltischen Gospel „Mother Of Muses“ ­– hier bittet Dylan seine Muse bescheiden um Inspiration, auch wenn er glaubt, keinen Anspruch darauf zu haben: „Wherever you are, I’ve already outlived my life by far.“ Das Grande Finale ist das labyrinthische 17-Minuten-andauernde „Murder Most Foul“, das sich mit dem JFK-Attentat beschäftigt. Mit abstrakten Arrangements, bestehend aus Streichern, Klavier, Cymbals und Dylans Gesang, gehört diese Nummer wohl unbestritten zu den außergewöhnlichsten und herausragenden in seiner nahezu 60-jährigen Karriere. Bob Dylan veröffentlichte also – wie fast zu erwarten – ein Album, das die aktuellen Zeitgeschehnisse gänzlich ignoriert und trotzdem enorm wichtig ist, gerade jetzt! Es ist beruhigend, in Zeiten wie diesen dem Herrn zuzuhören.

Mit nahezu 80 Jahren weiß der lyrische und musikalische Meister des 20. Jahrhunderts noch immer zu überraschen und zu erstaunen – sowohl seine Feder als auch sein Gitarrenkoffer stecken immer noch voller Magie. Mit etwas Glück erleben wir noch den ein oder anderen Österreich-Besuch von Bob Dylan. Und mit etwas Glück stolpert er nächstes Mal nicht auf der Bühne.

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