IAN HUNTER Defiance Part 1

Universal

Ian Hunter hat noch längst nicht fertig

Das Älterwerden hat so seine Vor- und Nachteile – was man im Laufe der Zeit an Weisheit gewinnt hält sich oft die Waage mit gewissen körperlichen Unzulänglichkeiten. Das mag natürlich nicht Künstler im Allgemeinen betreffen, aber Musiker, die den größten Teil ihres Lebens “on the road” verbracht haben, bekommen das meist zu spüren.

Mit 83 Jahren hat auch Ian Hunter – bei allem Respekt – seine besten Jahre hinter sich, doch konnte er seinen längst erworbenen Kultstatus anhand amtlicher Alben samt eigenständiger, seit eh und je etwas an Bob Dylan gemahnenden Gesangsdarbietung und unvermindert kritisch-grantelnden Lyrics, konsequent beibehalten. Und das “Part 1” des Albumtitels lässt ohne Zweifel erahnen, dass er damit noch längst nicht fertig hat.

Der rockige Opener und Titeltrack kann trotz Slash’s fulminanter Gitarrenparts und Robert Trujillo’s knarziger Basslines nicht darüber hinweggtäuschen, dass Mr. Hunter’s Stimme gegenüber seiner letzten Veröffentlichung “Fingers Crossed” von 2017 doch etwas an Elan und Pep eingebüßt hat. Doch wenn er “I’m still flying by the seat of my pants” raunzt weiß der englischer Idiome mächtige Zuhörer, dass der Mann noch immer auf sein Bauchgefühl vertraut und uns durchwegs grandiose Lyrics auftischt, die dieses vergleichsweise geringfügige Manko flugs vergessen lassen.

Mit Ringo Starr sorgt ein gleichermaßen junggebliebener Anfang-Achtziger auf  “Bed Of Roses” für amtlichen Beat in bester MOTT THE HOOPLE-Manier, den der ehemalige Tom Petty-Sidekick Mike Campell mit schneidigem Riffing unterfüttert, und auf  “No Hard Feelings” ist der unvergessene Jeff Beck noch einmal in voller Pracht zu hören.

Überhaupt überlässt Ian Hunter hier die Gitarrenabeit weiteren Könnern wie Billy F. Gibbons, Waddy Wachtel und Brad Whitford, die Gästeliste liest sich darüber hinaus mit Namen wie Duff McKagan, Joe Elliott, Todd Rundgren, Billy Bob Thornton und dem tragisch von uns gegangenen Taylor Hawkins außerordentlich gut. Dass der (noch immer) Lockenkopf auf “Defiance Part 1” mit Ausnahme der beiden Balladen “Guernica” und “No Hard Feelings” hier durchwegs kernige Rocker auftischt ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass damit gewisse stimmliche Einschränkungen weniger zur Geltung kommen.

Und schließlich muss man Ian Hunter auch zugute halten dass er weiterhin komplett auf elektronischen Firlefanz verzichtet, punkto Songwriting ist er sowieso unvermindert eine Klasse für sich. Chapeau!

ianhunter.com