ULTHA

Eine anregende Konversation über Pessimismus und Black Metal

Das neue ULTHA Album „The Inextricable Wandering“ ist mit Sicherheit eines DER Black Metal Alben des heurigen Jahres und aus diesem Anlass haben wir die Band kontaktiert und von Chris Noir (Vocals, Bass) sehr ausführliche Antworten auf unsere Fragen erhalten.

Hallo Chris, erst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Kannst Du bitte zu Beginn etwas über die Bandhistory von ULTHA erzählen?

ULTHA wurde Anfang 2014 gegründet, während oder nachdem sich unsere früherenBands (PLANKS, GOLDUST, ATKA oder IRA, um nur einige zu nennen) in Auflösung befanden beziehungsweise sich schon länger aufgelöst hatten.

Irgendwie kannten wir uns alle vorher schon, zumindest um maximal eine Ecke. Die ursprüngliche Idee für ULTHA geht auf Ralph (unseren Gitarristen und Songschreiber) und Jens, unseren damaligen zweiten Gitarristen, zurück, die beide schon seit längerem mit dem Gedanken gespielt hatten, ein Black Metal Projekt zu starten. Als dann unser Schlagzeuger Manu nach Köln gezogen ist, ging alles relativ schnell: proben, die ersten Songs schreiben, die ersten Konzerte geben. Unser Debüt-Album „Pain Cleanses Every Doubt“ haben wir dann bei Andy aufgenommen, der auch als festes fünftes Mitglied, zuständig für Electronics, eingestiegen ist.

Jens musste die Band dann leider aufgrund gesundheitlicher und jobtechnischer Gründe verlassen, sein Nachfolger Ralf war danach die folgenden zwei Jahre festes Mitglied bei ULTHA, hat die Band aber kurz nach den Aufnahmen zum dritten Album ebenfalls wieder verlassen.

Bislang haben wir zwei Alben veröffentlicht, der dritte Longplayer namens ”The Inextricable Wandering“ wird im Oktober erscheinen. Außerdem gab es noch eine Reihe an Split- und EP-Veröffentlichungen. Bis dato konnten wir alles bei unserem Freund Stefan von Vendetta Records veröffentlichen, das neue Album wird bei Century Media erscheinen.

Was bedeutet eigentlich der Name ULTHA?

Der Name kommt aus einer Kurzgeschichte von H. P. Lovecraft names “The Cats of Ulthar”. Ralph hatte den Namen in einer Liste aus Worten, die als Bandname oder Songtitel funktionieren könnten, notiert. Als wir dann gezielt nach einem Namen gesucht haben, gefiel uns ULTHA sehr gut, auch weil es kein so deutlich sprechender Name ist und die Kurzgeschichte nicht wirklich zu Lovecrafts bekanntesten zählt. Das R am Ende haben wir weggelassen, weil es schon ein paar Bands mit der Schreibweise gab und der Name dadurch außerdem symmetrischer wurde, was hinsichtlich eines guten Logos auch nicht ganz unwichtig war.

Ihr werdet am 05.10. ein neues Album mit dem Titel „The Inextricable Wandering“ auf den Markt bringen. Kannst du unseren Lesern ein paar Details über die Songs verraten?

Auf dem Album sind sechs Songs, die zum größten Teil Anfang des Jahres entstanden sind. Die Songlänge, die für viele scheinbar relativ aufsehenerregend ist, rangiert zwischen ca. sieben und neunzehn Minuten, wobei „I’m afraid to follow you there“ der längste Song und gleichzeitig das Finale des Albums ist. Neben eher „klassischen“ ULTHA Songs (wenn man das so nennen mag) wie dem vorgenannten Stück, finden sich auch für ein Metal Album eher ungewöhnliche Nummern auf „The Inexctricable Wandering“, zum Beispiel das rein auf Synth-Loops basierende „There is no love, high up in the gallows“ oder unsere WOVENHAND Verneigung „We only speak in darkness“. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht dazu sagen, ich will dem geneigten Hörer ja nicht zu viel vorwegnehmen.

Wovon handeln die Lyrics der einzelnen Stücke? Woher bezieht ihr die Inspiration für eure Texte?

The Inextricable Wandering“ ist eine Konzeptplatte über Angst. Ralph hatte die Idee, die Texte dahin gehend anzulegen, auch wenn es am Ende etwas anders ausgefallen ist als ursprünglich geplant. Jetzt geht es um Ängste, die er selbst erfahren hat. Ralph schreibt für ULTHA eigentlich ausschließlich über Dinge, die ihn in negativer Art und Weise beschäftigen, dementsprechend ist Zwischenmenschliches bzw. das Versagen eben dieser Beziehungen als die große Inspirationsquelle zu nennen.

Authentizität steht für uns alle an erster Stelle, wenn es ums Musikmachen geht, dementsprechend käme es für uns nicht wirklich in Frage, Okkultismus (den niemand von uns praktiziert) oder beispielsweise Science Fiction (die ja kein Mensch wirklich erlebt) zu thematisieren, auch wenn die Texte natürlich von Metaphern leben, in denen durchaus der Teufel, Dämonen oder sonstige übernatürliche Dinge Erwähnung finden.

Wie gestaltet sich euer Songwriting? Seid ihr konstant am Schreiben oder beginnt ihr erst damit, wenn ihr denkt, es wäre an der Zeit, ein neues Album zu veröffentlichen?

Im Grunde genommen schreiben wir fast immer an Songs. Wenn nicht als Band, dann ist wenigstens Ralph oftmals relativ ruhelos dabei, an neuem Material zu arbeiten. Klar ist es schon so, dass wir meist mit einem Ziel (sprich einem Release) vor Augen fokussierter arbeiten, aber es ist bisher nie so gewesen, dass wir uns gedacht hätten, jetzt wäre mal ein guter Zeitpunkt für ein neues Album und erst denn mit dem Schreiben der Stücke begonnen hätten.

Eure Stücke sind sehr intensiv und düster. Seid ihr als Menschen eher Positivdenker oder rechnet ihr euch doch der Gruppe Schwerenöter zu?

Ich vermute mal, Du meinst nicht Schwerenöter, sondern eher Schwarzseher. Nun, das ließe sich für jeden von uns nur individuell beantworten und da sicher auch nicht eindeutig.

Mir selbst fällt es oft sehr schwer, Dinge positiv zu sehen. Wenn ich den Lauf der Welt betrachte und die wahrlich bodenlose Dummheit sehe, mit der ein Großteil der Menschheit rücksichts- und maßlos vor sich hin lebt, kann ich das Glas leider nur als halb leer ansehen. Und auch auf einer weniger übergeordneten Ebene neige ich schon sehr dazu, primär die negativen Seiten des Lebens zu sehen und mich daran abzuarbeiten. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich nicht lachen oder mich über manche Dinge freuen kann. Aber grundsätzlich wohnt mir schon ein starker Pessimismus inne, der oftmals in Form von Melancholie oder blankem Zynismus zum Vorschein kommt. Wie erwähnt, gilt das jetzt nur für mich persönlich, wobei ich aber denke, dass wir alle zumindest skeptisch bis pessimistisch sind, was viele Dinge angeht.

Früher waren die meisten Black Metal Bands provokant satanistisch unterwegs, heutzutage gibt es einen Trend zu Okkultismus, Kerzenlicht, Räuchern und viele Bandmitglieder bleiben anonym, um die Aufmerksamkeit des Publikums ganz auf die Musik zu richten. Woraus hat sich eurer Meinung nach dieses neue Erscheinungsbild des Black Metal entwickelt?

Ehrlich gesagt finde ich die Entwicklungslinie, die Du aufzeigst, relativ linear. Der Weg von Corpsepaint und Fackeln zu Kapuzen und Kerzen scheint mir jetzt nicht besonders weit zu sein.

Allerdings widerspreche ich dir, wenn Du sagst, dass diese Dinge dazu dienen, die Musik in den Vordergrund zu stellen. Ehrlich gesagte finde ich, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Ich möchte ausdrücklich nicht alle Bands, die sich dergleichen inszenieren, über einen Kamm scheren, da es auch hier reihenweise sehr gute, authentische Gruppen gibt, die ich selbst gerne höre oder mir live anschaue. Aber es gibt schon viele Bands, wo mich der Eindruck nicht loslässt, dass man deutlich mehr Zeit und Energie darauf verwendet, ein schickes „Ritual“ auf der Bühne zu performen, als passable Songs zu schreiben und somit dann eben nicht die Musik im Vordergrund steht, sondern die Inszenierung als solche.

Ich meine, klar werden Bandmitglieder durch Mönchskutten anonymisiert, aber im Endeffekt lenkt das doch die Aufmerksamkeit des Publikums viel mehr auf diesen Umstand als auf das, was aus den Lautsprechern kommt. Wie gesagt, es gibt natürlich viele Bands, die das durchaus authentisch und begleitend zu beeindruckender Musik machen, ich möchte das gar nicht per se schlecht reden. Mir ist schon bewusst, dass gerade Black Metal zu einem nicht unwesentlichen Anteil von einer gelungenen Inszenierung lebt, wenn nicht sogar dadurch definiert ist.

Warum jetzt aktuell gerade entweder „Live-Rituale“ oder Maskierungen mit Sturmhauben so populär sind, führe ich im ersteren Fall auf URFAUST und im zweiten auf MGLA zurück – beides immens erfolgreiche Bands, die ja auf jeweils die eigene Art und Weise etwas Neues geschaffen haben und damit zu Trendsettern wurden.

Ihr geht im Herbst dieses Jahres auf Tour, um „The Inextricable Wandering“ euren Fans vorzustellen. Was dürfen wir von den Shows erwarten und wie wird sich in etwa die Setlist gestalten?

Die Frage ist nach der vorhergehenden gut platziert. Nun, niemand darf von uns Masken, Äste, Knochen, Kerzen und sonstiges Interieur auf der Bühne erwarten, im Gegenteil. Wie ich oben mal erwähnt habe, ist uns Authentizität extrem wichtig, dementsprechend gehen wir so auf die Bühne, wie wir auch im Proberaum stehen, schwarze Shirts, schwarze Schuhe, kein Corpsepaint oder Maskierung.

Das einzige, was wir uns an Inszenierung „gönnen“, ist statisches rotes Licht und Nebel. Witzigerweise zielt das genau darauf ab, was du oben beschrieben hast, nämlich die Musik in den Vordergrund treten zu lassen und nicht durch diverse Gimmicks zu verwässern. Im Vergleich zu vielen Black Metal Bands bewegen wir uns wohl relativ viel auf der Bühne. Das kathartische Erlebnis einer Live-Show für uns und im Idealfall auch für die Leute vor der Bühne ist uns sehr wichtig und dementsprechend versuchen wir wirklich alles zu geben und das ganze Gewicht unserer Emotion in die Performance zu legen.

Setlist ist ein schwieriges Thema mittlerweile, weil wir zwar relativ viele Songs zur Auswahl hätten, aber im Rahmen eines normalen Sets aufgrund der Länge meistens nur drei spielen können. Wir werden natürlich jeden Abend neue Songs spielen, aber auch versuchen, zumindest einen Song der „Converging Sins“ mit einzubauen.

Welche eurer bisherigen Tourneen war für euch die erfolgreichste bzw. jene, die ihr am meisten genossen habt?

Bisher hatten wir wirklich immer großes Glück und waren nur mit Bands unterwegs, die wir sowohl musikalisch als auch menschlich sehr zu schätzen wussten, sei es SUN WORSHIP, WOE oder YELLOW EYES. Dementsprechend ist es schwer zu sagen, welche am besten war – ich würde sofort wieder mit jeder dieser Bands in einen Van steigen. Und Erfolg, fragt sich woran sich das bemisst – dass wir mit dieser Musik, auf diesem Level, von einer Tour jetzt keine dicken Auszahlungen am Ende erwarten dürfen, ist klar, deshalb zählt für uns primär, unterwegs eine gute Zeit zu haben, neue Orte zu sehen und interessante Menschen kennenzulernen.

Ihr seid in Köln beheimatet, wie ist es um die dortige Undergroundszene bestellt? Gibt es Bands, die ihr unseren Lesern empfehlen könnt?

In Köln selbst gibt es nicht so arg viele (Black) Metal Bands. Absolut erwähnenswert sind auf jeden Fall FYRNASK und MORAST, die zumindest teilweise in Köln leben, sowie CHAPEL OF DISEASE. Alle sind irgendwie mittlerweile bei Ván Records gelandet, fällt mir da gerade auf.

Welche Musik hört ihr privat, wenn ich fragen darf? Seid ihr eingefleischte Metalfans oder habt ihr auch ein Ohr für andere Stilrichtungen?

Ich stelle mal die Behauptung auf, dass sich das nicht widerspricht. Wir sind Metal in verschiedensten Ausprägungen natürlich seit unseren Jugendjahren sehr zugetan, aber so wie viele Metalheads, die ich kenne, hören wir natürlich auch extrem viel andere Musik. Das einzugrenzen ist bei uns Vieren quasi unmöglich. Das geht von der Neigung zu obskurem Detroit-Techno unseres Drummers über die quasi religiöse Hingabe von Ralph zu NEW MODEL ARMY bis hin zu meiner Vorliebe für Früh-80er-US-Hardcore und Andys Faible für SONIC YOUTH. Von klassischer Musik bis Höhlenmenschen-Deathgrind gibt es kaum ein Genre, das nicht wenigstens einer von uns schätzt. Dieses über den Tellerrand hinausschauen und auch zuzulassen, dass man von Nicht-Metal-Genres inspiriert wird, ist ja auch für das, was wir mit ULTHA versuchen zu machen, enorm wichtig.

Damit sind wir auch schon am Ende unseres Interviews angelangt und ich bedanke mich nochmals für deine interessanten Antworten. Ich freue mich schon auf eure Show am 22.10. im Viper Room in Wien!

Gerne. Wir uns auch. -YOU EXIST FOR NOTHING-

Photo Credits: Century Media Records